Universität Hohenheim
Vegane Milchersatzprodukte gefragt
Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sind Verbraucher in Deutschland Vorreiter in der Verwendung von pflanzliche Alterativen zu Milchprodukten. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Stuttgarter Universität Hohenheim. Besonders ein Aspekt spielt dabei eine wesentliche Rolle für die Kaufentscheidung der Konsumenten.

VendingSpiegel, 24.08.2023 – Pflanzliche Ersatzprodukte für Milch, Käse oder Joghurt sind in Deutschland etabliert und landen insbesondere aus Tierwohlaspekten im Einkaufskorb, berichtet die Universität Hohenheim in Stuttgart. Im Rahmen eines Projekts befragten Experten des Arbeitskreises Business Excellence and Sustainability Transformation (AK BEST) des Fachgebiets Agrarmärkte der Universität über 3.000 Verbraucher in insgesamt sechs europäischen Ländern zu ihrer Akzeptanz von veganen Ersatzprodukten. Zu den Ländern zählten neben Deutschland auch Spanien, Italien, Frankreich, Polen und Dänemark.

Ausgewertet wurden die Ergebnisse durch Rebecca Hansen, Wissenschaftlerin im Fachgebiet Agrarmärkte der Universität, im Rahmen ihrer Doktorarbeit. In dieser suchte sie nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der Bereitschaft der Menschen in den genannten Ländern, vermehrt zu pflanzlichen „Molkereiprodukten“ zu greifen. Die sechs Länder wurden so ausgewählt, dass mindestens ein Land in Nord-, Süd-, Ost- und Westeuropa vertreten war, um die unterschiedlichen Marktsituationen in Europa für pflanzliche Lebensmittel widerspiegeln zu können.

Deutschland ist Vorreiter innovativer Ersatzprodukte

Dabei ergab die Umfrage: Von allen untersuchten Ländern hat Deutschland den höchsten Umsatz und das größte Marktpotenzial für diese pflanzlichen Alternativen. „Die starke Innovationskraft auf diesem Gebiet zeigt sich in vielen kleinen Startup-Unternehmen“, erläutert Beate Gebhardt, Leiterin des AK BEST. Sie führt aus: „So kommen von allen untersuchten Ländern in Deutschland die meisten neuen Produkte auf diesem Gebiet auf den Markt.“

Doch auch auf dem gesamten europäischen Markt erfreuen sich den beiden Wissenschaftlerinnen zufolge sogenannte Milch- und Molkerei-Ersatzprodukte zunehmender Beliebtheit. So stieg ihr Umsatz in Europa zwischen 2020 und 2022 um 49 Prozent. Die pflanzlichen Alternativen zu Sahne, Quark, Käse oder Joghurt werden unter anderem aus Getreide, Ölsaaten oder Hülsenfrüchten hergestellt. Aufgrund ihrer deutlich besseren CO2-Bilanz im Vergleich zu den klassischen, tierischen Produkten wird ihnen das Potenzial zugesprochen, den Wandel zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem zu fördern.

Gründe für das Maß der Akzeptanz

Den Grund dafür, warum die Deutschen eher zu den veganen Ersatzprodukten greifen als ihre europäischen Nachbar, sehen die Expertinnen in der „besonders kritischen Haltung zum Tierwohl“. Diese sei in Deutschland im Vergleich zu den übrigen untersuchten Ländern „einzigartig“. Dieser Aspekt, zusammen mit Aspekten wie Gesundheit und Umwelt, spiele eine große Rolle bei der Entscheidung, wie oft Menschen pflanzlich Molkereiersatzprodukte konsumieren.

Vor allem diejenigen, die sich für einen vegetarischen oder veganen Lebensstil entschieden haben, haben der Studie zufolge eine um 34 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, die pflanzlichen Alternativen häufiger zu konsumieren. „Dies bestätigt unsere Annahme, dass die Entscheidung für den Verzehr von pflanzlichen ‚Molkereiprodukten‘ weitgehend von den Ernährungsgewohnheiten bestimmt wird“, erklärt Beate Gebhardt. Sie ergänzt: „Zudem beeinflussen soziale Normen und kulturelle Traditionen die Deutschen hierbei weniger stark als die Menschen in den anderen Ländern.“

Verschiedene europäische Ernährungsgewohnheiten

In Polen beispielsweise würden tierische Milchprodukte als gesund und vorteilhaft angepriesen, was aus Sicht der Wissenschaftlerinnen des AK BEST die Abneigung dort gegen pflanzliche Ersatzprodukte erkläre. Auch in Frankreich habe der Verzehr von Käse eine lange Tradition. Insbesondere der sensorische Genuss sei daher für die Franzosen wichtig.

Ein ähnliches Bild zeigte sich laut Studie in Italien und Spanien: „Bedenken hinsichtlich der sensorischen Eigenschaften und des Geschmacks hinderten die Kaufinteressenten daran, die pflanzlichen Alternativen zu Molkereiprodukten zu konsumieren. Entsprachen die Produkteigenschaften wie Preis, Geschmack, Vielfalt und auch Verfügbarkeit dagegen den Anforderungen der Befragten, stieg die Wahrscheinlichkeit, diese Lebensmittel auch täglich zu konsumieren“, berichten Hansen und Gebhardt.

Der Geschmack entscheidet

Gerade für diese traditionsbewussten Länder sind nach Meinung der Wissenschaftler somit verbesserte Rezepturen und die Entwicklung verschiedener Produktvarianten entscheidend. „Dies ist besonders wichtig in Italien oder Frankreich, wo die Bedeutung des sensorischen Genusses kulturell verwurzelt ist“, betont Gebhardt. Dabei komme es für diese Konsumenten weniger darauf an, dass das Ersatzprodukt dem Original möglichst nahekommt. Vielmehr müsse der Geschmack überzeugen. Die Leiterin des Arbeitskreises bekräftigt: „Dabei darf das Produkt auch ein neues, eigenständiges Geschmackserlebnis bieten.“

Grundsätzlich gilt jedoch für alle Konsumenten von pflanzlichen Ersatzprodukten gleichermaßen, dass sie Informationen über die Alternativen wünschen, heben die Wissenschaftlerinnen hervor. Sie sind sich einig: „Antworten auf Fragen wie ,Woraus besteht das Produkt? Wie sieht der Produktionsprozess aus? Ist es gesünder? Ist es nachhaltiger? Wie kann ich es zubereiten?‘ sollten leicht aufzufinden sein.“

Mehr Aufklärung gewünscht

Am besten wären aus Sicht von Hansen und Gebhardt leicht zugängliche Informationen auf der Verpackung oder am Verkaufsort. Auch Empfehlungen in Ernährungsrichtlinien, weniger tierische Molkereiprodukte zu konsumieren oder Evidenz von wissenschaftlicher Seite, mehr pflanzenbasierte Ersatzprodukte zu wählen, könnten ein wichtiges Signal an die Verbraucher sein.

Überrascht hat die Wissenschaftlerinnen zudem ein weiteres Ergebnis der Studie: „Entgegen unserer Erwartungen haben das Bildungsniveau und andere soziodemografische Faktoren keinen statistisch gesicherten Einfluss auf die Konsumhäufigkeit von pflanzlichen ‚Molkereiprodukten‘“, resümiert Gebhardt.

jb

 

Über den AK BEST

Der Arbeitskreis Business Excellence and Sustainability Transformation (AK BEST) am Fachgebiet Agrarmärkte der Universität Hohenheim befasst sich praxisorientiert mit der Exzellenz von Unternehmen und den dafür geeigneten Bewertungs- und Kommunikationsinstrumenten, die zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Außerdem werden Kommunikation und Kennzeichnungen für hochwertige Lebensmittel, Besonderheiten und Nachhaltigkeit von Agrar- und Lebensmittelmärkten sowie Erwartungen und Verhaltensweisen von Stakeholdern im Lebensmittelbereich analysiert. Um Stakeholdern Orientierung oder herausragenden Ansätzen mehr Sichtbarkeit zu geben, werden im Dialog und permanenten Austausch von Wissenschaft und Praxis Möglichkeiten ausgelotet und neue Ansätze entwickelt.

Drucken