Bezahlen im stationären Handel / EHI
Vom Bargeld zur Karte
Die Corona-Krise beschleunigt die bargeldlose Bezahlung im stationären Handel. Insbesondere die Girocard verzeichnet deutlich steigende Transaktionszahlen im LEH, während der Anteil der Bargeldzahlung sinkt. Das EHI erwartet, dass diese Verschiebung von Dauer sein wird.

VendingSpiegel, 16.11.2020 – Laut einer aktuellen Berechnung wird als Folge der Corona-Krise der Anteil der Bargeldtransaktionen an deutschen Einzelhandelskassen in diesem Jahr um fünf Prozentpunkte sinken und der Umsatzanteil um 5,3 Prozentpunkte. Der Anteil der Kartenzahlungen steigt dementsprechend. Das sind die Ergebnisse der neuen Studie des EHI Retail Institutes als Forschungs- und Beratungsinstitut für den Handel.

Daraus ergeben sich bemerkenswerte Zahlen: Laut EHI büßt Bargeld rund eine Milliarde Transaktionen im Gesamtwert von knapp 28 Milliarden Euro ein. „Vor allem das Bezahlen per Girocard und in deutlich geringerem Maß auch das Bezahlen per Kreditkarte profitieren davon“, heißt es dazu in der Mitteilung. Der Anteil der Girocard steigt von 33,6 auf 40,2 Prozent, während das unterschriftbasierte Lastschriftverfahren auf 5,8 Prozent etwa zwei Prozentpunkte verliert. Dennoch sind beide Varianten der Girocard-Nutzung im Handel gemeinsam mit einem Anteil von 46 Prozent erstmals und sogar deutlich umsatzstärker als Bargeld.

„In jedem Fall wird das Jahr 2020 als das wachstumsstärkste Jahr für unbares Bezahlen in Deutschland seit Beginn der regelmäßigen Erhebungen durch das EHI im Jahr 1994 eingehen“, urteilt Horst Rüter, Leiter des Forschungsbereichs Zahlungssysteme und Mitglied der Geschäftsleitung des EHI. Nur vergleichsweise moderat steigt die Kreditkartenzahlung in der Corona-Krise: Ihr Anteil erhöht sich von 7,6 auf 8,4 Prozent. Hierbei sind auch App-basierte mobile Zahlungen, zum Beispiel via Apple-Pay oder Google-Pay, berücksichtigt.

Argumente für die Karte

In der Corona-Krise, insbesondere während der ersten Lockdown-Phase im März und April, haben Handelsunternehmen aus Hygieneerwägungen zum Schutz von Kundschaft und Kassenpersonal verstärkt zum kontaktlosen Bezahlen aufgerufen. Dabei konnten laut EHI auch zahlreiche ehemalige Bargeldzahlende von der Bargeldlosbezahlung überzeugt werden. Ein Großteil der gewonnenen Umsatzanteile ist auch in der Phase abgeschwächter Infektionszahlen bis August erhalten geblieben. Und seit September steigt der Anteil unbarer Bezahlarten wieder.

Wachstumstreiber LEH

Erhebliche Zugewinne beim bargeldlosen Bezahlen sind insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel zu verzeichnen. So wird den Berechnungen des EHI zufolge der Umsatzanteil von Bargeld bei Lebensmittel-Discountern in diesem Jahr von 56,2 auf 46 um gut zehn Prozentpunkte schrumpfen. Einige Unternehmen haben gerade in der Lockdown-Phase bei deutlichen Umsatzsteigerungen explizit für das Bezahlen mit Karte geworben. Ein ähnliches Bild ergibt sich in den Großflächenbetrieben des Lebensmittel-Einzelhandels, bei denen sich der Bargeldanteil laut den Berechnungen in diesem Jahr von 47,2 auf 39,5 Prozent reduzieren wird.

„Den erheblichen, teilweise zweistelligen Anteilsgewinnen der Kartenzahlung bei gleichzeitigen zweistelligen Umsatzzuwächsen des Gesamtgeschäfts im Lebensmittelhandel stehen die erheblichen Umsatzrückgänge in weiten Teilen des Fachhandels (u.a. Mode) gegenüber, der in der Lockdown-Phase geschlossen werden musste“, schreibt das EHI. Hier seien zwar ähnliche prozentuale Anteilsverschiebungen bei den Zahlungsarten zu verzeichnen, aber die Gesamtumsätze hätten in den meisten Betrieben im klaren zweistelligen Minus-Bereich gelegen. „Ansonsten wäre der Rückgang des Bargeldvolumens sicherlich noch deutlich stärker ausgefallen als ohnehin schon für den gesamten Handel berechnet“, heißt es in der Mitteilung weiter.

Bargeldlos-Trend von Dauer

Das EHI geht davon aus, dass es sich hierbei nicht um eine kurzfristige Entwicklung handelt: „Die aktuellen Entwicklungen deuten darauf hin, dass der Transfer vom Bargeld zur Karte nachhaltig ist.“ Für die nächsten Jahre werden weitere Zuwächse für unbares Bezahlen im Volumen von etwa drei Prozentpunkten erwartet. Das sei insbesondere bedingt durch das bei Kundschaft und Handel gleichermaßen beliebte kontaktlose Bezahlen, das schon aktuell gut die Hälfte des Kartenumsatzes abdeckt und sich durch erhöhte Limits (Girocard von 25 auf 50 Euro) und die krisenbedingten Hygienemaßnahmen des Handels weitere Anteile erschließen wird.

Datengrundlage

Für die Berechnung wurden im Oktober 2020 schriftliche und persönliche telefonische Interviews mit EHI-Mitgliedern (große Handelsunternehmen) zu den die Phase Januar bis September 2020 und den entsprechenden Vorjahrszeitraum betreffende Umsätzen/Umsatzanteilen und den Anteilen kontaktlos/mobil durchgeführt. Das Teil-Panel der vorliegenden Oktober-Studie umfasst 30 Unternehmen (rund 26.000 Betriebe) aus elf Branchen mit einem Brutto-Umsatz von 126,8 Milliarden Euro, davon relevant 108,6 Milliarden Euro. Die Auswertung greift außerdem auf Angaben der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), insbesondere um Halbjahresdaten zur Girocard-Nutzung 2020, zurück.

Das Gesamtpanel „Zahlungssysteme“ umfasst 403 Unternehmen mit rund 85.000 Betrieben aus 35 Branchen des Handels mit einem Bruttoumsatz (2019) in Höhe von 281,5 Milliarden Euro, davon relevanter stationärer Einzelhandelsumsatz im engeren Sinne (ohne Kfz, Mineralöl, Apotheken, E-Commerce und Versandhandel) in Höhe von 268,4 Milliarden Euro (ca. 60,3 Prozent des Einzelhandelsumsatzes i.e.S. in Höhe von 445 Mrd. Euro).

sn

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