VendingSpiegel, 14.12.2023 – Für den 15. DGE-Ernährungsbericht, der Ende 2024 veröffentlicht wird, fasst ein Expertenteam der Arbeitsgruppe „(Stark) verarbeitete Lebensmittel“ den aktuellen Forschungsstand zum Zusammenhang zwischen dem Verzehr stark verarbeiteter Lebensmittel und dem Auftreten verschiedener ernährungsmitbedingter Erkrankungen zusammen. Dazu wertet die Arbeitsgruppe in einer systematischen Literaturrecherche über 30 verschiedene aktuelle Studie zum Thema aus, um Verbrauchern sowie Ernährungsexperten verlässliche Informationen über die gesundheitlichen Auswirkungen dieser Lebensmittelgruppe zu liefern.
Weniger natürliche Lebensmittel
Lebensmittel und Getränke, deren Rohstoffe viele Verarbeitungsprozesse durchlaufen haben, werden als stark verarbeitete Lebensmittel (Ultra-Processed Foods, kurz: UPF) bezeichnet. Beispiele dafür sind neben Fertiggerichten und frittierten Snacks auch Süßigkeiten, Gebäck, Würstchen, Fleischersatzprodukte und Brotaufstriche. Diese verdrängen laut DGE zunehmend natürliche Lebensmittel und frisch zubereitete Speisen, was zu einer Gefahr für die Gesundheit werden kann.
Denn eine Ernährung mit einem hohen Anteil an stark verarbeiteten Lebensmitteln enthält meist viel Zucker, Salz und Fett – insbesondere gesättigte Fettsäuren – und gleichzeitig wenig Ballaststoffe, Proteine und Mikronährstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe sowie sekundäre Pflanzenstoffe. Nach welchen Kriterien Lebensmittel auf ihren Verarbeitungsgrad hin bewertet werden, unterscheidet sich aber je nach Klassifizierungssystem und deren Definition von verarbeiteten Lebensmitteln teils erheblich. Welche das im Einzelnen sind, beschreibt das Expertenteam innerhalb des Ernährungsberichts zu stark verarbeiteten Lebensmitteln.
Gesundheitliche Risiken
Deutlich wurde laut der DGE-Arbeitsgruppe bei der Auswertung der untersuchten Studien, dass Erwachsene, die viele stark verarbeitete Lebensmittel konsumieren, wahrscheinlich ein höheres Risiko für Übergewicht, Adipositas, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Für das Metabolische Syndrom und Allergien gebe es jedoch nicht genügend Daten, um Aussagen zum Zusammenhang mit dem UPF-Verzehr machen zu können. Für Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen seien die Ergebnisse in den eingeschlossenen Studien heterogen.
Der beobachtete Zusammenhang basiert bislang weitestgehend auf Querschnitt- und Kohortenstudien, die die zugrundeliegenden Wirkmechanismen wenig untersucht haben. In Deutschland stammten laut Berechnungen der Nationalen Verzehrsstudie II (NVS II) bereits Anfang der 2000er-Jahre etwa 50 Prozent der gesamten Energieaufnahme von Erwachsenen aus stark verarbeiteten Lebensmitteln.
Weitere Forschungsarbeit erforderlich
Bis auf eine Studie verwenden alle einbezogenen Arbeiten die NOVA-Klassifizierung. Dieses Klassifizierungssystem sei der Arbeitsgruppe zufolge zwar hilfreich. Es habe jedoch gewisse Einschränkungen, unter anderem, weil es bei der Zuordnung von Lebensmitteln nach dem Verarbeitungsgrad Interpretationsspielraum lässt. Dadurch würde der UPF-Anteil an der Ernährung unter Umständen verzerrt eingeschätzt. Für zehn der eingeschlossenen Studien stellte die Arbeitsgruppe ein moderates und für 27 Studien ein hohes Risiko für Verzerrungen fest.
Das Autorinnenteam betont, dass weitere Beobachtungsstudien und insbesondere auch Interventionsstudien erforderlich seien, um die Wirkungen von stark verarbeiteten Lebensmitteln – beispielsweise die Energiedichte, Lebensmittelstruktur/-matrix, Prozesskontaminanten und Zusatzstoffe – auf die Gesundheit besser zu verstehen und mögliche Empfehlungen für den Anteil an UPF an der täglichen Ernährung ableiten zu können. Diese sollten eindeutige Kriterien für die Klassifikation von Lebensmitteln nach ihren Verarbeitungsgraden anwenden und für UPF validierte Ernährungserhebungsinstrumente einsetzen.
jb
Über den DGE-Ernährungsbericht
Den DGE-Ernährungsbericht erstellt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) alle vier Jahre im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Der 15. DGE-Ernährungsbericht erscheint Ende 2024. Die wissenschaftsbasierten Berichte beschreiben und bewerten die Entwicklung der Ernährungssituation in Deutschland. Sie dienen als wissenschaftlich fundierte, objektive Informationsquelle für alle in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien Tätige sowie für Multiplikatoren.